Langsam ebbte der hysterische Anfall ab. Aslana rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Es war zwar gerötet, aber ihre Augen waren trocken. Dann nahm sie wieder Eileens Hand, die sie kurz losgelassen hatte. Erschöpft schaute sie ihre Freundin an:
"Es tut mir leid. Es kam einfach so, ich konnte nicht mehr aufhören. Es ist diese ungeheure Erleichterung, dass wir jetzt hier sind.
Göttin, ich hatte so eine Scheiß-Angst um Voltan. Ja, ich weiß, er ist erwachsen, er ist Paladin, ... aber trotzdem. Ich kann das nicht abstellen. Diese Nacht war die Hölle. Ich hatte zwischendurch echt die Befürchtung, er schafft's nicht. Und dann der Feldkaplan mit seiner Scheiterhaufen-Idee. Ich dachte nur, wie komme ich mit jemandem, der kaum allein laufen kann, schnell genug von da weg. Ich kann schließlich keinen lichten Priester umbringen, nicht mal wenn er mit dem Scheiterhaufen wedelt.
Na ja, und wenn ich ehrlich bin, mache ich mir immer noch Sorgen um ihn. Ja, ich bin auch erschöpft und müde, aber seine Kraftlosigkeit sitzt irgendwie tiefer. Außerdem diese ewige Friererei. Er wird überhaupt nicht mehr richtig warm. Und warum sind bei ihm nach dem Reinigungsritual des Feldkaplans nicht auch alle Chaoszeichen verschwunden. Ich habe ihn mir angeschaut, aber in seiner Aura nichts Chaotisches mehr gefunden. Da sind nur diese blöden Schuppen, die in der Aura allerdings nicht zu sehen sind."
Die Thyria-Priesterin machte eine Pause, dann drückte sie Eileens Hand und wechselte das Thema:
"Aber das gemeinsame Bodenreinigen war wirklich sehr schön, gelungen und gut aufeinander abgestimmt. Fünf Kleriker aus fünf unterschiedlichen Religionen mit eigenen Lithurgien und Ritualelementen, und trotzdem bildete es insgesamt eine Einheit. Es hat gut funktioniert. Und am Ende haben wir gemeinsam den Keil des Lichts rezitiert."
Aslana blitzte die Drachenpriesterin beredt an. Sie dachten beide an dasselbe, daran, wie sie das erste Mal zusammen den Keil des Lichts gelesen hatten. Das war in den Clanslanden gewesen, sie hatten gerade eine Lich-Seele vernichtet und Eileen hatte Aslana das erste Mal Kriegerschwester genannt.
"Tja, und um was es beim letzten Ansturm der chaotischen Horden ging, kann ich Dir auch nicht so genau sagen. Sie begannen ihren Angriff, während wir noch bei der Bodenweihe waren - und natürlich hat das mit der Ritualwache nur bedingt funktioniert. Also Evan stand völlig ungeschützt da. Ob hinter mir einer stand, der meinen Rücken schützte, weiß ich nicht, ich habe sicherheitshalber nicht nachgeschaut. Ich dachte ja zuerst, sie wollten unser Ritual verhindern, aber sie brachen nach Beendigung der Reinigung ihren Angriff nicht ab. Im Gegenteil, sie warfen alles gegen uns, was sie so hatten zusammenziehen können. Unsere Magier hatten irgendeinen Ritualkreis vorbereitet, den es zu schützen galt. Mei, und das haben wir dann so gut wie möglich gemacht. Es stimmt, dass Voltan nicht lange gekämpft hat, er wurde bei den Heilern gebraucht, die Zahl der Verletzten auf unserer Seite stieg enorm an. Es war das selbe Problem wie am Vorabend. Die Chaoskrieger verfügten über einen magischen Schutz, der sie reichlich resistent gegen unsere Waffen machte.
Ich habe mich relativ lange gehalten, die Gruppe der Verteidiger war echt schon arg dezimiert, aber dann bin ich an den Werwolf geraten - und der hat angegriffen wie ein Bär. Seltsam, war aber so. Er hat seine Pranken um mich geschlungen und zugedrückt, während Andere auf meinen Rücken einschlugen. Kurz bevor ich die Besinnung verlor, ließ er mich los, leider nur, um mir seine Krallen übers Gesicht und vor allem die Augen zu ziehen. Dann weiß ich nichts mehr. Evan hat mir später erzählt, dass er mich aus der Schlachtreihe gezogen und versorgt hat. Es muss eine ziemlich aufwändige Sache gewesen sein, ich fühlte mich danach, als wäre ich zwischen zwei Mühlsteine geraten. ABER, was das Wichtigste war, die Bestie hat mich nicht gebissen, und Evan hat mein Augenlicht gerettet."